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Transformations-Falle Nr. 2: Zu vermeiden, was man nicht kontrollieren kann

Die Welt ist unberechenbar. Trotz unserer westlichen Vorstellung, dass wir mit Technologie, Wissenschaft und Planung eine gewisse Kontrolle über unsere Umwelt erlangt haben, werden wir regelmäßig von der Realität eines Besseren belehrt. Das Auftauchen des Corona-Virus, der Klimawandel oder unerwartete militärische Konflikte in Europa sind nur einige Beispiele dafür.

Natürlich ist es für jede Spezies überlebenswichtig, ihre Lebenswelt in gewissem Maße zu kontrollieren. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass die Welt letztendlich nicht kontrollierbar ist – und das gilt auch für Transformationsprozesse in Organisationen.

Formale Strukturen der Organisation zu verändern ist nur kompliziert…

Auch wenn es keine einfache Aufgabe ist, so ist es doch nur eine komplizierte Angelegenheit im Rahmen von Transformationen neue betriebliche Rahmensetzungen auf der formalen Seite der Organisation festzulegen: neue Target Operating Models, Produktions- oder Arbeitsprozesse… Mit genügend Zeit und Fachwissen kann man letztendlich zu einem brauchbaren Ergebnis gelangen.

… soziale Systeme sind jedoch komplex
Das gilt nicht, wenn man ein lebendiges soziales System wie eine Organisation mit hunderten oder tausenden von Menschen mit Veränderungen konfrontiert. Lebende soziale Systeme sind nicht kompliziert, sie sind komplex. Und komplex heißt: nicht kontrollierbar.

Die Komplexität dieser Systeme wird zum einen durch die Vielzahl der Variablen bestimmt: wer mit wem wann und über was spricht. Hinzu kommt, dass man selbst bei einzelnen Mitarbeitern nie sicher sein kann, was in ihren Köpfen vorgeht, und dass es in sozialen Systemen Rückkopplungsprozesse gibt, die eine Dynamik entwickeln, die weder vorhersehbar noch einfach einzufangen ist. Jeder Führungskraft ist dies in kleinerem Maßstab in Teams schon begegnet, und wir alle können diese Phänomene heute in sozialen Netzwerken beobachten.

Was ich nicht kontrollieren kann, fasse ich nicht an
Ein Weg, um bei Umstrukturierungen zu scheitern, besteht darin, dass das Topmanagement sich davor scheut, in Zeiten hoher Unsicherheit in den Vordergrund zu treten. Oft bleibt das Topmanagement zu lange hinter verschlossenen Türen (zusammen mit externen Beratern?), verharrt in seiner Komfortzone und konzentriert sich auf das, was berechnet, analysiert oder formell beschlossen werden kann – aus der vielleicht auch unbewußten Angst, die Reaktionen der Organisation nicht kontrollieren zu können.

Transformation ist Kontaktsport
Der Weg zum Erfolg liegt im Kontakt. Das Management muss in den Ring steigen, sichtbar werden und spüren, welche Themen wichtig sind. Und dann den Mut haben, im Moment mit dem umzugehen, was ihnen begegnet. Auch wenn sie selbst keine gesicherten Antworten haben, nicht perfekt sind und einige Dinge im Prozess sicher schiefgehen werden… Führung in solchen Momenten bedeutet, für die Menschen sichtbar, ansprechbar und auch in der eigenen Verletzlichkeit spürbar zu sein. Und immer wieder die Aufmerksamkeit auf das Ganze zu lenken, wohl wissend, dass auf dem Weg dorthin nicht alles kontrollierbar ist…

Autor

John Kayser

Datum

13.03.2024