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Transformations-Falle Nr. 1: Gutenbergs Auslassungen und ihre Auswirkungen auf Veränderungsprozesse


Einige Irrtümer in Transformationen sind von so grundlegender Natur, dass man – einmal den falschen Weg eingeschlagen – keine Chance mehr hat, das ursprünglich gesetzte Ziel zu erreichen. Das Vergessen zweier Gutenberg’schen Auslassungen ist wohl einer der fundamentalsten Fehler, die das Top-Management in Transformationen begehen kann.


Die Welt ist als Ganzes nicht zu erfassen

Menschen haben nicht die Fähigkeit, die Realität als Ganzes zu erfassen. Wir konzentrieren uns immer auf bestimmte Aspekte und lassen den Rest außer Acht. Genauso ist es auch in den Wissenschaften. Jede Disziplin fokussiert sich auf einen bestimmten Bereich und vernachlässigt andere. Dies ist notwendig, um die Komplexität zu bewältigen und nicht orientierungslos zurückzubleiben.

Die Betriebswirtschaftslehre, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte, hatte das Ziel, ökonomische Prinzipien auf die Unternehmensebene anzuwenden. Professor Erich Gutenberg, einer ihrer prägendsten Vordenker, konzentrierte mit seinem Interesse am wirtschaftlichen Betrieb des Unternehmens auf das, was quantitativ messbar war, und ließ dabei bewußt und explizit zwei Elemente des Unternehmens außen vor: einerseits die Menschen (“…irrationales Subjekt…”; S.41 in: Die Unternehmung als Gegenstand betriebswirtschaftlicher Theorie, Dr. E. Gutenberg, 1929) und andererseits die Organisation des Unternehmens.

Während er die Erklärung individuellen Verhaltens getrost der Psychologie überlassen konnte, eliminierte er die Organisation – hier verstanden entweder im engeren Sinne als Aufbau- & Ablauforganisation, oder weiter gefaßt als soziales System – als Quelle eigener Probleme durch die einfache Annahme, dass sie perfekt funktioniere…

In der Theorie notwendig, in der Praxis von Transformationen fatal…

Diese Auslassung mag für einen Wissenschaftler, der sich auf sein spezielles Forschungsgebiet konzentriert, legitim sein. Doch für einen Managementpraktiker, der täglich mit der gesamten Realität konfrontiert ist und Entscheidungen treffen muss, ist sie hoch problematisch.

Top-Manager, die glauben, dass eine Transformation allein durch die quantitativ messbaren Aspekte auf der betrieblichen Seite der Organisation (wie Target Operating Models, IT-Prozesse, funktionale Strukturen, Personalressourcen, etc. ) durchgeführt werden kann, lassen ihrerseits auch zwei Drittel der Tanzfläche außer Betracht… Sie sollten sich nicht wundern, wenn die Welt diese Auslassung umgehend quittiert: in Form von Widerstand der Menschen und der Organisation.

Ganzheitliches Vorgehen als notwendige Bedingung für den Erfolg

Der Erfolg einer Transformation hängt kritisch davon ab, dass von Anfang an alle drei Ebenen – die quantitativ messbaren betrieblichen Aspekte, die Menschen und die Organisation des Unternehmens ernst genommen, und in den Prozess jeweils angemessen integriert werden. Nur so kann eine erfolgreiche Transformation gelingen.

Autor

John Kayser

Datum

01.03.2024